Die deutsche Wirtschaft befindet sich aktuell in einer ausgeprägten Schwächephase. Nach einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2023 um 0,3 % wird auch für das Jahr 2024 kein signifikantes Wachstum erwartet. So gehen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute von einem BIP-Wachstum von maximal bis zu 0,3 % aus. Hohe Energiepreise und Zinsen sowie der schwache Welthandel dürften auch in diesem Jahr die wirtschaftliche Entwicklung drücken. Die Zinswende, hohe Baukosten, verschlechterte Wohnungsbau-Förderbedingungen und eine ausgeprägte Unsicherheit für alle am Bau Beteiligten haben bereits 2022 einen Abschwung in der Bauwirtschaft eingeleitet. Dieser hat sich 2023 massiv verschärft und besonders stark den Wohnungsbau getroffen. So sind die realen Bauinvestitionen 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 2,7 % zurückgegangen; im Wohnungsbau lag das Minus bei 3,4 %. Während die Baufirmen im Jahr 2022 insbesondere mit Materialengpässen zu kämpfen hatten, wurde 2023 vor allem über Auftragsmangel und Stornierungen geklagt. Die Nachfragesituation im Bau hat auch die Baustoffproduktion einbrechen lassen: Der Produktionsindex ist 2023 um 16,4 % gesunken, wobei wohnungsbaunahe Branchen, wie z. B. die Fliesen- oder Ziegelindustrie noch weitaus höhere Rückgänge zu verzeichnen hatten. Auch die Betonfertigteilindustrie ist von deutlichen Rückgängen betroffen, wobei das Minus je nach Gütergruppe unterschiedlich ausfällt. Insgesamt verzeichnet die Branche aufgrund der diversifizierten Abnehmerstruktur weniger starke Rückgänge als Branchen, die rein auf den Wohnungsbau ausgerichtet sind.
Zum Jahresbeginn 2024 hat sich der Einbruch der Baustoffnachfrage fortgesetzt. Im ersten Quartal 2024 war ein weiterer Rückgang der Baustoff-Steine-Erden-Produktion gegenüber dem Vorjahr von 15,3 Prozent zu verzeichnen. Sub-Sektoren, die vor allem in den Wohnungsbau liefern, mussten auch in den ersten drei Monaten dieses Jahres gegenüber den ohnehin schwachen Vorjahresmonaten Rückgänge von 30 bis teilweise 60 Prozent verkraften. Die Perspektiven bleiben vorerst negativ. So nahmen die jüngsten Zahlen zu den Baugenehmigungen weiter ab: Bis einschließlich Februar 2024 sank die Zahl um 24 Prozent. Angesichts dessen muss davon ausgegangen werden, dass die Baukrise nicht kurzfristig überwunden wird, wobei sich die Bausegmente weiter unterschiedlich entwickeln dürften. Während die Aussichten für den Wohnungsbau schwach bleiben, dürften die Rückgänge im Nichtwohn-Hochbau weniger stark ausfallen, da das Segment insgesamt weniger zinssensibel reagiert. Die Aussichten für den Tiefbau sind verhalten positiv: So sind erhebliche Investitionen in die Sanierung des Bahnnetzes und den Ausbau der Energieinfrastruktur geplant. Für die Baustoff-Steine-Erden-Industrie erwartet der bbs einen Produktionsrückgang in 2024 in Höhe von 5 bis 10 % gegenüber dem Vorjahr.
Forderungen an die Baupolitik
Die aktuelle Krise im Wohnungsbau hat erhebliche soziale und wirtschaftliche Auswirkungen. Die Verknappung von Wohnraum durch den viel zu geringen Neubau dürfte die Mieten weiter deutlich steigen lassen und ist ein Hemmschuh für die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Zwar hat die Bundesregierung bereits Maßnahmen zur Stabilisierung der Bautätigkeit eingeleitet, etwa durch die befristete Einführung der degressiven Abschreibung im Mietwohnungsbau und die geplante Ausweitung der KfW-Förderung. Eine Herausforderung sind jedoch weiterhin die stark gestiegenen Zinsen. Um das Bauen wieder anzukurbeln, könnte ein breit angelegtes Zinsverbilligungsprogramm einen wichtigen Beitrag leisten. Zudem müssen alle Baunebenkosten wie etwa die Grunderwerbsteuer auf den Prüfstand. Im Bereich des öffentlichen Baus ist die verlässliche Finanzierungsperspektive von zentraler Bedeutung: Hier bedarf es klarer Signale der Politik für eine bedarfsgerechte Mittelbereitstellung, damit die notwendigen Kapazitäten in der Bauwirtschaft vorgehalten werden können.